Nachtseelen -2- by Olga A. Krouk

Nachtseelen -2- by Olga A. Krouk

Autor:Olga A. Krouk [Krouk, Olga A.]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Fantasy
ISBN: 9783453525993
Herausgeber: Heyne Verlag
veröffentlicht: 2010-01-01T23:00:00+00:00


Kapitel 15

Während die mollige Chinesin die Schachteln mit dem Essen in einer Plastiktüte verstaute, betrachtete Finn das Ambiente des Restaurants, um dem missbilligen Blick der Kellnerin nicht begegnen zu müssen. Seine zerschlissenen Klamotten, die er gezwungenermaßen seit drei Tagen trug, machten aus ihm nicht gerade die Art von Gentleman, die normalerweise dieses Lokal aufsuchte.

Von den Wänden gähnten ihn mit weit geöffneten Mäulern die obligatorischen Drachen an, der übergewichtige Buddha grinste am Eingang vor sich hin. Die Zither-Klänge im Hintergrund wirkten beinahe einschläfernd, aber vielleicht lag es gar nicht an dem Instrument selbst. In den vergangenen Wochen hatte Finn kaum Schlaf gefunden, und die letzte Nacht hatte er wach vor Albas Bett verbracht, abgesehen von kurzen Abschnitten, in denen er eingenickt war. Somit befand er sich seit fast 48 Stunden auf den Beinen, die ihn inzwischen kaum noch trugen.

»Shanghai Ente knusp-hig geblaten mit acht Kostbalkeiten. D-heiundzwanzig Eu-ho fünfzig Cent«, lispelte die Chinesin und schob die Tüte über den Tresen. Es hatte Finn einiges gekostet, die Kellnerin zu überreden, das Essen zum Mitnehmen einzupacken. Die Dame hatte sich empört, das Restaurant sei kein Imbiss, aber schließlich nachgegeben.

Er kramte in den Taschen seiner Jacke und ließ vier zerknitterte Fünf-Euro-Scheine auf den Tresen regnen. Aus der Jeans fischte er drei Euro-Münzen. Das war alles? Er war sich sicher gewesen, insgesamt 25 Euro bei sich zu haben. Wo blieb denn der Rest?

Unter dem vernichtenden Blick der Kellnerin kratzte er 48 Cent zusammen. Durch das Loch im Futter tastete er mit zwei Fingern im Inneren seiner Jacke. Irgendwo musste doch noch mehr sein! Das wusste er.

Die Kellnerin schnaubte, strich das Geld ein und winkte ihn aus dem Restaurant. Finn beeilte sich, mit der Tüte fortzukommen, bevor sie es sich anders überlegte. Seinen Abgang begleitete eine Tirade Chinesisch, die er zum Glück nicht verstand.

Er schlenderte die Straße entlang, den Blick nach unten gerichtet. Es war ihm peinlich, den Passanten in die Augen zu schauen, als ob diese wüssten, was im Restaurant vorgefallen war. Er hatte sich schon lange nicht mehr so gedemütigt gefühlt. Eigentlich mit seinem Eintritt in Linneas Gemeinde nicht mehr. Die Metamorphe hatten ihn wie eine Familie aufgenommen, und eine Zeit lang fühlte er sich wohl dort. Fast wehmütig dachte er daran. Was war dann mit ihm geschehen? Es konnte doch nicht so schwer sein, sich in der Gemeinschaft, die ihm Sicherheit und Halt im Leben gab, unterzuordnen. Auf einmal zweifelte er, ob er die richtige Entscheidung getroffen hatte.

Nein, nicht daran denken!

Es war richtig gewesen.

Hoffentlich … Er lenkte seine Gedanken in eine andere Richtung. Hoffentlich mochte Alba chinesisches Essen.

Sogleich verfluchte er sich dafür, denn er hatte sich geschworen, nicht an sie zu denken. Er besorgte ihr einfach nur etwas zu essen. Mehr nicht. Wirklich nicht. Inzwischen musste sie bestimmt halbverhungert sein, und sicherlich hatten weder Evelyn noch Adrián an Menschennahrung gedacht. Die Nachzehrer kochten grundsätzlich eher selten.

Das Essen aus dem vornehmen Restaurant hatte ihn ein Vermögen gekostet, trotz des 2-Cent-Rabatts. Aber mit einer Currywurst aufzutauchen kam ihm lächerlich vor. So etwas würde Alba vermutlich nicht einmal das Klo ihrer Villa hinunterspülen, geschweige denn essen.



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